Am 24. und 25. Oktober 2024 fand in der Nudelfabrik in Zeitz ein impulsgebendes Symposium statt, das sich mit der Frage beschäftigte, wie alte Industriebauten und die in ihnen gebundene „Graue Energie“ als wertvolle Ressourcen für eine nachhaltige Regionalentwicklung genutzt werden können. Die vom Institut für Graue Energie e.V. in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Zeitz initiierte Veranstaltung brachte Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen der Architektur, Denkmalpflege, Regionalplanung und Industriekultur zusammen. Ziel war es, innovative Konzepte zu diskutieren, wie in Zeiten des Strukturwandels leerstehende, historisch und energetisch wertvolle Gebäude erhalten und sinnvoll weiterentwickelt werden können.
Was ist Graue Energie?
Bauen erfordert nicht nur für die Herstellung, sondern auch für den Transport und die Montage der Baustoffe einen enormen Ressourcen- und Energieaufwand. Diese in Gebäuden gebundene Energie wird als „graue Energie“ bezeichnet. Oft unsichtbar und schwer greifbar, wird sie zunehmend als entscheidender Faktor bei der Betrachtung des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes – von der Errichtung über die Nutzung bis hin zum möglichen Abriss – erkannt.
Graue Energie umfasst dabei die in Baustoffen wie Ziegel, Stahl oder Beton gebundene Primärenergie, die bei der Herstellung erhebliche Emissionen verursacht. Diese Energie ist eng mit dem Lebenszyklus eines Gebäudes verbunden: Wird ein Gebäude abgerissen, geht die investierte Energie verloren und es entstehen erhebliche Abfallmengen. Durch den Erhalt oder die Umnutzung bestehender Gebäude kann die graue Energie hingegen erhalten und sinnvoll wiederverwendet werden.
Graue Energie als gesellschaftliche Ressource
Im Bauwesen hat der Begriff eine lange Tradition und bezieht sich auf die Umweltauswirkungen des Bauens. Da der Bausektor in Deutschland rund ein Drittel der CO₂-Emissionen verursacht, hat die Branche diesen Energieaufwand schon früh als Indikator für Nachhaltigkeit betrachtet. Mit dem wachsenden Bewusstsein für den Klimaschutz wird diese Perspektive heute um soziale und kulturelle Aspekte erweitert: Graue Energie wird zunehmend als umfassende Ressource wahrgenommen, die mehr beinhaltet als Primärenergie.
Das Institut für Graue Energie setzt sich dafür ein, bestehende Gebäude und das Bauen im Bestand stärker in den Fokus zu rücken. Denn auch Neubauten, selbst wenn sie energieeffizient konzipiert sind, binden wieder neue Graue Energie. Es geht also darum, bestehende Strukturen zu bewerten und aufzuwerten, um Abriss und Neubau zu minimieren und die bereits investierte Energie zu erhalten.
Einblicke in die Programmschwerpunkte
Industrielles Erbe als Ressource
Die Eröffnungsdiskussion widmete sich der Frage, wie alte Industriegebäude und ihre Infrastruktur als kulturelle und wirtschaftliche Ressource gesellschaftlich aufgewertet werden können. Referent:innen wie Fridtjof Florian Dossin von der Bauhaus-Universität Weimar und Thomas Fischer vom Netzwerk Industriekultur Sachsen-Anhalt zeigten auf, wie Um- und Nachnutzungsprojekte Industriegebäude revitalisieren und in Strukturwandelprozesse einbinden.
Baulicher Bestand und Graue Energie
Im zweiten Teil des Symposiums stand der energetische Wert, der in alten Industriegebäuden steckt, im Mittelpunkt. Es wurden innovative Wege aufgezeigt, wie dieser Wert durch Denkmalpflege und Architektur langfristig erhalten werden kann. Der Architekt Mirko Haselroth und weitere Experten beleuchteten, wie durch die Wiederverwendung von Materialien oder Gebäudeteilen die immense Graue Energie eingespart werden kann. Abschließend führte eine Besichtigung der Nudelfabrik die Teilnehmer:innen durch ein Beispiel lebendig gewordener Industriekultur.
Entwicklung industriell geprägter Regionen
Abschließend wurde ein Blick auf die Herausforderungen und Potenziale, die sich aus dem fortschreitenden Strukturwandel in Ostdeutschland ergeben, geworfen. Regionale Entwicklungsstrategien für die Lausitz und Thüringen, vorgestellt von Antonia Sipeer vom Institut für Neue Industriekultur, zeigten, wie graue Energie auch als gesellschaftliche Ressource verstanden und genutzt werden kann, um regionale Identität und Zusammenhalt zu stärken.
Ein Plädoyer für den Erhalt und die Nutzung von Grauer Energie
Das Symposium in der Nudelfabrik Zeitz hat eindrucksvoll gezeigt, dass Graue Energie weit mehr ist als eine energetische Ressource. Sie beinhaltet auch kulturelle, historische und soziale Werte, die für die Zukunftsgestaltung unserer Regionen von zentraler Bedeutung sind. Durch den gezielten Erhalt und die Umnutzung von Industriebauten wird nicht nur Energie gespart, sondern auch ein wichtiger Teil der regionalen Identität bewahrt und in die Zukunft getragen.
Es endete am 25. Oktober mit einem gut durchdachten Programm und einer Führung zu wichtigen Stätten der Industriekultur in Zeitz. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nahmen neue Erkenntnisse und Ideen mit, die hoffentlich weitreichende Impulse für eine nachhaltige und ressourcenschonende Entwicklung industriell geprägter Regionen geben werden.
Für die das Institut für Graue Energie e.V. war insbesondere der fachliche Input seitens der Stadt Zeitz von Ines Will (Leiterin wirtschaftliche Entwicklung) sowie von Anik Kompalla und Roman Mikhaylov (Stabstelle Strukturwandel) als auch von Christian Mansfeld (Leiter Untere Denkmalschutzbehörde) ein besonders wertvoller Zugewinn.